Gott ist da! Schaut mal aus dem Fenster! Begeistert bewundern die Jugendlichen auf einer Freizeit einen fantastischen Regenbogen vor dem noch dunklen Regenhimmel. Gottes Gegenwart manifestiert sich in einem Wunder der Natur. Ein Phänomen mit spiritueller Bedeutung, aber auch schlicht Physik.
Viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturen lieben die Schönheit des Regenbogens. Wir Christen wür-den ihn als göttliches Zeichen gerne für uns alleine haben, doch wir müssen ihn schon mit dem Judentum teilen. Und auch andere Religionen und verschiedene gesellschaftliche Grup-pierungen legen ihre Inhalte in dieses Symbol.
So erzählen die Ureinwohner Australiens von einer Regenbogenschlange, die alle Lebewesen erschaffen hat. Die antike griechische Götterbotin Iris (Regenbogen!) nutzt ihn als schnelle Brücke zwischen Himmel und Erde. Der Gott Marduk, so berichtet der babylonische Schöpfungsmythos Enuma Elisch, machte das menschliche Leben erst möglich, als er die Göttin Tiamat getötet hatte. Dann hängte er seinen Bogen mit der Rundung nach oben in den Himmel. Aus der Waffe wurde ein Zeichen des Schutzes. Und in Irland wird immer noch von dem Goldschatz erzählt, der am Fuß des Regenbogens versteckt worden sein soll.
Auch als Flagge haben die Farben des Regenbogens eine lange Tradition: Als Zeichen der Hoffnung auf einen neuen Aufbruch und bessere soziale Verhältnisse wurde sie von dem Reformator und Revolutionär Thomas Müntzer in den Bauernkriegen des 16. Jahrhunderts hochgehalten. Für die Inkas war der Regenbogen ein Teil der Herrscherflagge. Bis heute symbolisiert er die Stadt Cusco in Peru. Seit 1961 verwendet die Friedensbewegung in Italien ihn in ihrer Flagge vereint mit dem Wort Pace. Seit den 1970er Jahren wurde die Regenbogenflagge zu einem internationalen Symbol der Queer-Szene. Die Initiative München ist bunt wendet sich mit den Regenbogenfarben gegen jede Art von Diskriminierung, Rassismus und Menschenverachtung und setzt sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ein.
Schmälert die Vielfalt der Verwendung des Regenbogens als Symbol seine Bedeutung für uns Christen? Müssen wir nicht auch das Symbol des Fisches mit der Nordsee-Fischhalle teilen?
Bei all der Fülle der Bedeutungen kommt es einfach darauf an, mit welcher Brille wir dieses Naturwunder ansehen: Es erinnert uns an Gottes Versprechen (Genesis 9), das er Noah und allem Lebendigen gegeben hat: Mein Bund mit euch gilt! Meine Verbindung zu euch soll durch nichts erschüttert werden! Am Schluss der Bibel erinnert der Regenbogen an dieses uralte Versprechen Gottes (Offenbarung 4,3), das Jesus mit dem Heiligen Abendmahl erneuert hat. Als Weltenrichter sitzt Jesus auf vielen künstlerischen Darstellungen auf einem Regenbogen, der Verbindung zwischen Himmel und Erde.
Ich bin davon überzeugt, dass in diesem wunderbaren Naturphänomen Gott zu allen Menschen spricht, die seine Schönheit sehen. Der Regenbogen wölbt sich über alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe und Herkunft, gleich welchen sozialen Standes und welcher Religion. Gott macht seine Zusage nicht abhängig von uns Menschen und unseren Lebenswegen.
Für mich wendet sich Gott damit auch gegen allen Hass, gegen alles Besserwissen und Aggression, gegen Egoismus und Vorurteile, gegen Intoleranz und Doppelmoral. Denn Gott hat nicht nur im Regenbogen eine Brücke geschlagen und seinen Frieden mit allen Menschen gemacht.
Der Regenbogen erträgt all die unterschiedlichen Interpretationen souverän. Er wird zu einer Brücke über Gegensätze, ohne zu verurteilen, zu einer Brücke der Versöhnung, statt zu spalten, zu einer Brücke der Achtung statt der Hetze, zu einer Brücke des Zuhörens statt des Rechthabens.
Ich bin froh über den Regenbogen und freue mich jedes Mal, wenn ich ihn sehe. Denn Gott ist da! Unübersehbar und wunderschön!
Heinrich Eber
Artikel aus dem Gemeindebrief Sommer 2024, dort finden Sie auch weitere Artikel zu dem Thema.