Leitung aus biblischer Perspektive

Zu unserer Kirchengemeinde gehören etwa 6.000 Gemeindemitglieder. 6.000 Menschen mit all ihren unterschiedlichen Lebensphasen. Kann so eine Menschenmenge sich selbst verwalten ohne Leitung und Führung? Falls ja – welche Regeln, meinen Sie, sind notwendig, damit das gelingen kann?

Ich kann es mir persönlich schwer vorstellen, wie so eine Menschenmenge ohne Leitung und Führung gut miteinander leben kann. Am 20. Oktober stehen für alle evangelischen Kirchengemeinden in Bayern die Kirchenvorstandswahlen an. Der Kirchenvorstand ist das Gremium, das die Gläubigen leitet und führt. Gläubige brauchen geistliche Leitung, an der sie sich orientieren, ja auch im Glauben wachsen können. So ist die Kirchenvorstandswahl nicht irgendeine Wahl, an der wir bei den Kandidatinnen und Kandidaten ein Kreuz setzen und somit unsere demokratische Pflicht erfüllen. Durch die aktive Wahlbeteiligung setzen wir uns dafür ein, in welche geistliche Richtung unsere Gemeinde die nächsten sechs Jahre steuert.

Blicken wir in die Bibel, so sehen wir, dass Leitung immer wieder ein biblisches Prinzip ist. Gott setzt immer wieder Menschen als Leitungspersonen ein, um sein Volk zu führen. Hierbei kristallisieren sich unterschiedliche Merkmale von Leitung und Leitern heraus. Es gibt die Väter (Abraham, Isaak, Jakob u.a.) mit ihren von Gott gegebenen Aufgaben für das Volk Israel. Ihre Bedeutung ist so groß, dass Gott nach ihnen benannt wird: der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (z.B. in Matthäus 22,32f.).

Neben den Vätern gibt es die Führer (Josef, Mose, Josua), die auch von Gott berufen werden, das Volk nach seinem Willen zu führen und zu leiten. Im 3. Buch Mose (z.B. 7,28ff.) lesen wir, dass Priester und Leviten als Diener und geistliche Leiter für den Gottesdienst agieren und dafür zuständig sind, das Volk geistlich zu leiten.

Ein weiterer Blick in das Alte Testament verdeutlicht, dass Gott Propheten einsetzt, die Gottes Willen dem Volk weitergeben und gleichzeitig zur Buße aufrufen. Es geht um die Abkehr des Volkes vom Götzendienst und um Umkehr (Buße) zu dem einen Gott (z.B. Jeremia 6,8). Schließlich erfüllt Gott seinem Volk auch den Wunsch nach einem König, der sein Volk leiten soll. Saul, David, Salomo und viele weitere waren so als Könige beauftragt, Gottes Volk nach seinem Willen zu unterweisen und zu führen (siehe 1. Samuel 8, wo beschrieben wird, wie Israel einen König begehrt).

Bei all den genannten Beispielen sticht ein Leitungsbild heraus – spätestens, seit König David in Psalm 23 schrieb: Der Herr ist mein Hirte … Der Hirte wird zum Inbegriff eines Leiters. In Psalm 100,3 heißt es: die Schafe seiner Weide oder im Prophetenbuch Hesekiel (34. Kapitel) geht es um die Weissagung gegen die untreuen Hirten des Volkes Gottes. Auch Jesus bezieht sich mit seiner Aussage Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe (Johannes-Evangelium, Kapitel 10,11) auf das Wort des Propheten Hesekiel. Jesus ist der eine Leiter oder der Hirte, den wir brauchen, weil wir Menschen es nicht von uns aus schaffen.

Im Matthäus-Evangelium (23,8ff) lesen wir: Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder. Und ihr sollt niemand euren Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater: der im Himmel. Und ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer: Christus. Dieses Leitungsverständnis ist wichtig. Wir haben nur einen Gott: Den Vater im Himmel, dessen Sohn Jesus Christus uns leibhaftig sein Wesen, sein Wirken, seine Liebe und seinen Plan für einen jeden von uns zeigt. Wenn wir in unseren Leitungsaufgaben auf Christus schauen, verringert sich die Gefahr, dass wir uns selbst verHERRlichen.

Es verhindert nicht, dass es in Gemeinden zu Konflikten kommt. Das verdeutlichen uns die Briefe im Neuen Testament. Doch es hilft uns, uns immer wieder daran zu erinnern, dass Jesus Christus das Haupt der Gemeinde ist (siehe z.B. Epheser 4,4f oder 1. Timotheus 2,5).

Auch für unseren neuen Kirchenvorstand wird Jesus Christus der Leitungsmaßstab für die Aufgaben unserer Gemeinde sein. In einem Festgottesdienst zum 1. Advent am 1. Dezember wird der neue Kirchenvorstand in sein Amt eingeführt.

Für sie möchte ich beten, ebenso wie für alle, die in Leitungsverantwortung in der Kirche stehen: Vater im Himmel, wir danken Dir, dass Du immer wieder Menschen sendest, die bereit sind, sich für Dein Reich einzusetzen. Wir bitten Dich: schenke uns Gehorsam für Dein Wort, damit wir in Weisheit, Liebe und Geduld unseren Mitmenschen begegnen können. Amen.

Ihr/Euer Semjon Salb