Umgang mit Corona in der Kirche

Wir hatten uns das bei der Planung dieses Gemeindebriefs (Winter 2021) so schön vorgestellt: Die Pandemie geht langsam vorbei, und wir können uns dem Thema Aufbruch und Neuanfang widmen. Und jetzt erleben wir mit voller Wucht die »vierte Welle«. Zugleich ist auch der Streit darüber wieder da, welche Maßnahmen nötig sind. Auch bei uns in Paul-Gerhardt. Unter uns sind Geimpfte, die kein Verständnis für Ungeimpfte haben ebenso wie Ungeimpfte, die sich inzwischen als Bürger zweiter Klasse fühlen. Unter uns sind Menschen, die die Corona-Maßnahmen der Politik für angemessen halten und andere die diese kritisieren: manche, weil sie sich noch mehr Schutz wünschen, manche, weil sie die Maßnahmen für über griffig halten und um die Freiheit fürchten.

Ist nun die eine Haltung »christlicher« als die andere? Ich glaube, dass das Evangelium hier keine eindeutige Antwort gibt und wir als Christen vielmehr aufgerufen sind, unseren Verstand zu gebrauchen, um zu einer angemessenen Haltung zu kommen. Ganz ohne Leitlinien lässt uns die Bibel aber nicht: Eine Haltung, die nur sich selbst sieht und von der Auswirkung des eigenen Handelns auf andere ganz absieht, erscheint mir ebenso wenig möglich wie eine Haltung, in der der Einzelne hinter der Gemeinschaft völlig zurücktreten muss und zur Solidarität »gezwungen« wird.
Klar ist aus Sicht der Bibel, dass Vorgaben des Staates – soweit sie nicht die Verkündigung des Evangeliums einschränken – zu respektieren sind, selbst wenn man diese inhaltlich ablehnt. Das gilt für uns als einzelne Christen wie für uns als Gemeinde. Konkret heißt das, dass wir uns bei Veranstaltungen an Einschränkungen zu halten haben, selbst wenn damit der Ausschluss einzelner Besucher verbunden ist – so bitter dies ist.

Vom Gottesdienstbesuch darf dagegen niemand abgehalten werden. Denn Jesus lädt alle ein, Geimpfte wie Ungeimpfte, Menschen, die sich stärkere Schutz-Maßnahmen wünschen ebenso wie Menschen, die die staatlichen Vorgaben kritisch sehen. Selbstverständlich ist dabei Rücksicht aufeinander zu nehmen, zum Beispiel dadurch, dass Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. Gottesdienste, in denen wir gemeinsam auf Gottes Wort hören und miteinander Abendmahl feiern, dürfen nicht zum Kampfplatz für die Corona-Politik werden – eine solche Spaltung wäre ungeistlich.

So bleibt der Umgang mit Corona eine Herausforderung – für uns als Gesellschaft wie für uns als Kirche. Freilich ist auch dabei ein »Neuanfang« wünschenswert, indem bei aller Kritik in der Sache der Respekt vor dem anderen neu gelernt und praktiziert wird. Wie heißt es bei Paulus: »So macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid.«

Hans-Joachim Vieweger