VOM HIMMEL HOCH, DA KOMM ICH HER – Engel in der Bibel

Engel – man findet sie überall. Kleine, niedliche geflügelte Wesen als Dekoartikel. Kunstvoll ausgestaltet auf Postkarten und Bildern, und in unserer Alltagssprache sowieso. Selbst (vermeintlich) unreligiöse Menschen reden davon, dass sie in manchen Situationen einen Schutzengel hatten. Will man jedoch als Theologe ernstgenommen werden, macht man um Engel als naivem Kitsch oder Aberglaube (so auch die Warnung in Kolosser 2,18) besser einen großen Bogen – oder?

Auch in unserer Paul-Gerhardt-Kirche ist ein Engel zu sehen: Ganz in weiß und mit über-großen Flügeln verkündet er auf dem Wandteppich über dem Taufstein den weinenden Frauen am Ostermorgen: »Jesus ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er gesagt hat!«

Im Alten Testament werden Engel immer wieder als Boten Gottes bezeichnet. So erzählt ein Engel Hagar von ihrer Schwangerschaft und fordert sie auf, wieder zur Familie zurückzukehren (1. Mose 16), an anderer Stelle verhindert ein Engel die Opferung Isaaks (1. Mose 22,11–12) – und Bileam erkennt (anders als seine Eselin) den Engel zunächst nicht, was ihm zur Gefahr wird (4. Mose 22,22ff.). Auch erscheint im brennenden Dornbusch für Mose ein Engel (2. Mose 3,2) und ein Engel führt Israel ins verheißene Land (2. Mose 14,19; 23,20 u.ö.). Nicht zuletzt sorgt der Standort eines Engels für den Ort des Jerusalemer Tempels (2. Samuel 24,16–25). Engel greifen als Boten Gottes ein, schützen Menschen (Daniel 3,25 und 6,23) und verändern den Lauf der Geschichte.

Für Jesus war – wie für die meisten Jüdinnen und Juden seiner Zeit, abgesehen von der Gruppe der Sadduzäer – die Existenz der Engel selbstverständlich. Sie dienten ihm nach seiner Versuchung durch den Teufel (Matthäus 4,11). An anderer Stelle vergleicht Jesus auferstandene Menschen mit Engeln im Himmel (Markus 12,25). Dieser verbreitete Engelglaube dürfte auch der Grund für die ausführliche Diskussion im Hebräerbrief sein, der viel Aufwand betreibt, um Jesus von den Engeln abzugrenzen: Jesus ist Ebenbild Gottes, sitzt zu seiner Rechten und ist so viel höher als die Engel (Hebräer 1,3–4). Hier schwingt die ernste Sorge mit, dass Jesu Wirken nur als das eines Engels verstanden werden könnte.

Die Reisen der Missionare und damit die Ausbreitung des Evangeliums werden in der Apostelgeschichte so gedeutet, dass Engel am Werk sind: Ein Engel befreit die Apostel aus der Hand des Hohen Rates (Apostelgeschichte 5,19), an anderen Stellen lesen wir von Aufforderungen zum Aufbruch (z.B. Philippus in 8,26; Paulus auf dem Weg nach Rom in 27,23).

Und schließlich wird im Alten wie im Neuen Testament das Ende der Welt unter Mitwirkung der Engel erklärt (z.B. in Daniel 10,12; 1. Thessalonicher 4,16 und dann komplex in der Offenbarung).

Das für mich eindrücklichste Bild von Engeln findet sich in 1. Mose 28: Jakob träumt von einer Leiter zum Himmel, auf der oben Gott steht. An dieser Leiter steigen Engel hinauf und hinab und werden buchstäblich zu Grenzgängern, zu Boten zwischen Himmel und Erde. Diese Boten sind es dann auch, die in der Weihnachtsgeschichte den Menschen die frohe Botschaft von Jesu Geburt (Lukas 2,9–15) und an Ostern den Menschen von Jesu Auferstehung verkünden (Lukas 24,4–8).
So steckt auch in dem unüberlegt ausgesprochenen Schutzengel eine überraschende Erleichterung und ein Staunen über die unverhoffte Hilfe. Manchmal können wir uns Gottes Eingreifen in unserem Alltag vielleicht nicht vorstellen – durch die Engel wird dieser große Gott aber ganz greifbar in unserem Leben.

Mathias Litzenburger

Artikel aus dem Gemeindebrief Winter 2024, dort finden Sie auch weitere Artikel zu dem Thema.