Dass es in München Bier und Brezen gibt, wissen alle – aber dass es einmal einen Brezenreiter gab, ist kaum jemandem bekannt.
Der Brezenreiter war Teil einer Stiftung wohlhabender Münchner Bürger im 14. Jahrhundert an das Heilig-Geist-Spital (die heutige Heilig-Geist-Kirche am Viktualienmarkt), mit der – lange vor jeglicher Art von Sozialversicherung – die Armen im Spital einmal pro Woche zusätzlich gespeist werden sollten. Ein Teil des Stiftungsgeldes war auch für eine jährliche Brezenspende an die anderen Armen Münchens bestimmt.
Einmal im Jahr, vermutlich am Tag des Evangelisten Johannes (27. Dezember), zog der Brezenreiter auf einem Schimmel, damit man ihn besser sehen konnte, ab Mitternacht durch die Stadt und rief die Bürger zur Brezenspende nach Heilig Geist. Bis 12 Uhr Mittag wurden so jährlich etwa 3000 Brezen, teilweise auch schon vom Brezenreiter auf seinem nächtlichen Ritt, an die Bedürftigen Münchens verteilt.
Der Brauch hielt sich fast ein halbes Jahrtausend – bis dem Brezenreiter Anfang des 19. Jahrhunderts die mitgeführten Brezen ausgingen. Die Münchner – in solchen Sachen immer schon nicht zimperlich – waren darüber so empört, dass sie den Reiter von seinem Pferd zogen und verprügelten. Daraufhin wurde der Ritt vom Stadtrat abgeschafft, die Brezenspende bestand allerdings weiter und wurde nur noch per Aushang angekündigt.
Auf dem mittleren Deckenfresko der Heilig-Geist-Kirche ist der Brezenreiter bis heute zu sehen – und seit 2012 läutet vom Turm der Heilig-Geist-Kirche die Brezenreiterglocke. Mit der auf ihr abgebildeten Breze und dem (lateinischen) Vers Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben (Matthäus 25,35) erinnert ihr Läuten nicht nur an Münchner Brauchtum, sondern auch an frühe soziale Verantwortung.
Alexander Schöttl