DAHOAM – Herbergssuche

Bild: Herbergssuche in Bethlehem, Joseph v. Führich, 1838, Alte Nationalgalerie Berlin

Für die Zuagroasten unter uns: Mit dem Wort Herbergssuche wird der verzweifelte Versuch des heiligen Paares – Maria und Josef – umschrieben, im komplett ausgebuchten Bethlehem doch noch ein Nachtquartier zu finden, wobei diese Suche schließlich mit einem Krippenplatz für das frischgeborene Jesuskind endet. Gerade im bayrischalpenländischen Raum ist dieses Thema der Herbergssuche sehr populär: Wer dächte da nicht an Ludwig Thomas Heilige Nacht oder an den Klassiker Wer klopfet an?, ein Wechselgesang zwischen den Eltern Jesu und diversen Wirten, der eigentlich bei keinem Krippenspiel fehlen darf? Hier haben wir ein schönes Beispiel dafür, wie die Volksfrömmigkeit einen einzelnen kleinen Satz aus der Bibel aufgreift und daraus eine ganze Geschichte entwickelt.

Das kann dann soweit führen, dass manche Menschen felsenfest davon überzeugt sind, dass besagte Szene genau so im Lukasevangelium steht. Tut sie aber nicht. In Vers 7 steht nämlich nur: »denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge«. Trotzdem hatte das einfache Volk – oder wer auch immer die Idee einer Herbergssuche hervorgebracht hat – mal wieder den richtigen Riecher. Denn quasi in Ergänzung zu Lukas schreibt der Evan-gelist Johannes: »Er – Jesus – kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf«.

Na also. Da geht es um die Erfahrung Jesu, nicht erwünscht zu sein, und die fasst er selbst einmal in die folgenden Worte: »Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege«. So ist die Weihnachtsgeschichte, wie wir sie bei Lukas lesen, tatsächlich auch eine Geschichte über das Unbehaustsein und die Heimatlosigkeit nicht allein Jesu, sondern vieler Menschen.

Umso erstaunlicher – oder auch wie-der nicht! – ist nun aber die Beobachtung, dass just an Weihnachten das bloße Gegenteil dieser Heimatlosigkeit zelebriert wird: Wie kein anderes Fest im Jahreskreis ist es ein echtes und fast ausschließliches Familienfest, das in oft überheizten Wohnstuben gefeiert wird, wo es um Nähe und Wärme, eben das Heimatlich-Heimelige geht. Besonders bei uns in Deutschland. Übrigens auch unsere Jugendlichen mögen das so: Wenn ich im Konfi-Unterricht das Thema anspreche, wünscht sich die große Mehrheit ein Christfest im traditionellen Stil, en famille, kuschelig-warm. Weihnachten dagegen auf den Bahamas, bei tropischen Temperaturen und einem kühlen Drink, davon träumen nur ganz wenige Teenager.

Fazit: Ausgerechnet Jesus, der von Anfang an und dann sein ganzes Leben lang ausgegrenzt wurde, bereitet uns Menschen ein wunderschönes, ein heimelig-heimatliches Fest. Hinter diesem scheinbaren Gegensatz erkennen wir aber eine Wahrheit, die der Apostel Paulus einmal so ausgedrückt hat: »So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenos-sen«. (Epheser 2,19). Jesus, der ja den Weg zum Vaterhaus Gottes endgültig frei gemacht hat, schenkt uns eine neue, ewige Heimat, die wir im Kleinen schon auf dieser Erde erleben können – etwa auch am Heiligen Abend. Die große menschliche Suche nach einem Ort, wo endlich alles gut wird, die findet in ihm ihre Erfüllung und ihr Ziel.

Nichts gegen Lametta und Kerzenlicht, nichts gegen den Duft von Tannennadeln und Zimtsternen – aber Weihnachten ist unendlich mehr: Jesus in unserer Mitte. Endlich daheim.

Ein frohes und besinnliches Fest wünscht Euch/Ihnen allen
Ihr Pfarrer Lorenz Künneth

Artikel aus dem Gemeindebrief Winter 2023, dort finden Sie auch weitere Artikel zu dem Thema.