Erfahrungen eines Gemeindepraktikanten

In seinem Buch „Gemeinsames Leben“ schreibt Dietrich Bonhoeffer über das Leben in christlicher Gemeinschaft: „Darum, wer bis zur Stunde ein gemeinschaftliches christliches Leben mit anderen Christen führen darf, der preise Gottes Gnade aus tiefsten Herzen, der danke Gott auf Knien und erkenne: es ist Gnade, nichts als Gnade, dass wir heute noch in der Gemeinschaft christlicher Brüder [und Schwerstern] leben dürfen.“ Nun schreibt Bonhoeffer diese Zeilen freilich in einem ganz und gar anderen Kontext als dem Unsrigen. Und doch bleiben seine Worte auch heute noch gültig. Wann immer sich Menschen versammeln, um aneinander Anteil zu nehmen, zu beten und das Brot am Tisch des Herrn zu brechen, geschieht das allein aus Gottes Gnaden. Ich bin zutiefst dankbar, dass ich genau diese Gnade in den letzten Wochen hier in Paul-Gerhardt erleben durfte.

Mein Name ist Henrik Schleicher, ich bin 24 Jahre alt und studiere evangelische Theologie. Im Rahmen meines Studiums durfte ich vom 08.01.-12.02.2023 ein Praktikum in dieser tollen Gemeinde absolvieren. In den vergangenen fünf Wochen habe ich die Hauptamtlichen der Gemeinde, allen voran Lorenz Künneth, in ihren vielfältigen Tätigkeiten begleitet, habe viele Gemeindeglieder kennengelernt und durfte mich selbst tatkräftig im Gemeindeleben einbringen. Von einer schwungvollen Konfirmandenfreizeit bei „Wort des Lebens“ am Starnberger See über verschiedene Hauskreisbesuche bis hin zum Senioren-Geburtstagskaffee war alles dabei. Was mich dabei immer wieder begeistert hat, sind sowohl die Vielseitigkeit kirchlichen Lebens im Allgemeinen als auch die persönlichen Begegnungen im Speziellen. Da sind Konfirmanden, die mich interessiert danach gefragt haben, weshalb ich Pfarrer werden möchte. Da sind Gemeindeglieder, die mir davon berichtet haben, dass sie seit Jahrzehnten in Paul-Gerhardt gehen und hier ein geistliches Zuhause gefunden haben. Da sind Menschen, die mir ihre Gemeinschaft angeboten und mich einfach so zum Mittagessen eingeladen haben. In all diesen Begegnungen ist mir immer wieder bewusst geworden, wie wunderbar Gottes Gemeinde ist und was für ein Privileg es doch ist, ein Teil davon zu sein. 

Paul-Gerhardt ist eine besondere Gemeinde. Ich habe hier einen spannenden Mix unterschiedlicher Frömmigkeitstraditionen erlebt. Wo sonst findet man eine Gemeinde, in der ein traditionell liturgischer Sonntag-Morgen-Gottesdienst und ein charismatisch freier Gottesdienst gefeiert werden? Auch das Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer ist grandios: Mini-Gottesdienst, Jugendbistro, Seniorenbibelkreis und Spielenachmittag, Hauskreise, Lobpreisgottesdienste, dazu noch die vielen praktischen Helfer rund um die Kirche und Vieles mehr, was ich hier gar nicht alles erwähnen kann, hinterlassen bei mir Staunen. In Anbetracht all dessen wundert es mich nicht, dass sogar Menschen außerhalb der Grenzen Laims in die Mathunistraße pilgern, um Teil dieser Gemeinde zu sein.

Abschließend möchte ich noch eine kleine Anekdote erzählen, die mein Empfinden für Paul-Gerhardt gut zusammenfasst. Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Wann immer ich mich darin von einem Ort zum anderen bewegte, traf ich auf eine Vielzahl von Leuten, die ich kannte und grüßte. Sei es ein freundliches „Grüß Gott“, ein fränkisches „Servus“ oder – wenn es schnell gehen muss – das lässige Anheben von Zeige- und Mittelfinger. Diese Art des Umgangs erzeugte ein Gefühl von Heimat und Verbundenheit. Eines Abends während meines Praktikums hier in der Millionenstadt München lief ich die wenigen Meter vom Gemeindehaus zurück in meine Unterbringung. Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ein rotes Auto fuhr durch die Mathunistraße und hupte mich an, um mich zu grüßen. Instinktiv tat ich den lässigen Zwei-Finger-Gruß, den ich von meinem Vater gelernt hatte. In dieser Sekunde fiel mir auf, dass ich nach nur vier Wochen Praktikum in „PG“ – wie man hier sagt – so wahrgenommen und gegrüßt wurde, wie ich es von meinem Dorf gewohnt war. Und sogleich stellten sich dieselben heimischen Gefühle ein, obwohl ich mich mitten in einer wachsenden Metropole befand. Paul-Gerhardt ist mir in kürzester Zeit zu einem Stück Heimat geworden.

In diesem Sinne bedanke ich mich herzlichst für wundervolle fünf Wochen und sage ein freudiges „Auf Wiedersehen.“

Ihr Henrik Schleicher