Themenreihe: Freiheit
Foto: Wüstenlandschaft in Israel (Heinrich Eber)
Freiheit – für mich als Teenager vielleicht das Thema Nummer 1! Die Freiheit, sich aller lästigen Verpflichtungen zu entledigen, die Freiheit, endlich selbst zu entscheiden. Gott sei Dank hatten meine Eltern Verständnis für meine pubertär-libertären Ambitionen und ließen mich gewähren, konnten auch damit leben, wenn ich mal wieder über den Durst getrunken hatte – und als ich zwei Schuljahre in den Sand setzte.
Jedoch: mit den Jahren wurde auch ich reifer und vernünftiger, traf aus meiner ach so geliebten Freiheit heraus Entscheidungen, die meinem Leben eine Richtung gaben, die bis heute gültig sind, die ich auch nie bereut habe. Da war zuallererst der bewusste Gang in die Jugend der Paul-Gerhardt-Gemeinde – nicht gleich nach der Konfirmation wie bei vielen anderen, sondern erst mit 17. Dann, zwei Jahre später, die Entscheidung für das Studium der Theologie und den Pfarrberuf. Wieder zwei Jahre später ging ich für 18 Monate nach Portugal, quasi die Ouvertüre für mein späteres Brasilien-Projekt. Und schließlich fand ich hier in Paul-Gerhardt meine spätere Frau Sabine.
Wie gesagt, dies alles waren Entscheidungen in völliger Freiheit – und gleichzeitig aus der Bereitschaft heraus, nach Gottes Willen für mein Leben zu fragen und im Glauben dieses Leben zu gestalten.
Heute, im Rückblick, erinnert mich das Ganze an den Weg der „Kinder Israel“ raus aus der Sklaverei in Ägypten, rein in das gelobte Land voller Milch und Honig und: Freiheit! Ein langer Weg, ein schwieriger Prozess – 40 Jahre hat er bekanntlich gedauert. Die wichtigste Station jener Wüstenwanderung lag auf dem Sinai, zu Füßen des Horeb, des Gottesberges. Dort verkündet der Herr dem Volk die weltberühmten „Zehn Worte“ oder „Zehn Gebote“. Und die läuten nicht etwa ein neues Zeitalter der Sklaverei ein, sondern sind eine Gebrauchsanweisung für die neue Freiheit.
Dass Freiheit und Gottes Spielregeln unbedingt zusammengehören, macht bereits die Präambel deutlich, mit der Gott die Zehn Gebote einleitet, und die selbst von fleißigen Bibellesern zu wenig beachtet wird: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus dem Sklavenhaus!“ Oder anders ausgedrückt: Erst kommt die Freiheit, die Befreiung. Und aus ihr heraus dann die Entscheidung für Gott und seine Gebote. Und nicht etwa umgekehrt!
Heute ist „Freiheit“ für mich kein echtes Thema mehr – ganz einfach deshalb, weil sie für mich nach 40 (!) Jahren eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Heute beschäftigt mich ein ganz anderer Begriff: Verantwortung. Verantwortung für mich selbst, für meine Familie und Freunde, für meine Gemeinde und Kirche, für unser Land und unsere Erde. Verantwortung meint Selbstverpflichtung, Selbstbeschränkung, Selbsthingabe. Wer sich aber für diese Dinge entscheidet, der ist wirklich FREI!
Pfarrer Lorenz Künneth